Bestatter-ABC: J wie Jüdischer Ritus

Menschen jüdischen Glaubens wenden sich in Tirol an uns "herkömmliche" Bestatter, denn ein jüdisches Bestattungsinstitut gibt es bei uns nicht, wir sind einfach für alle Religionen und Weltanschauungen zuständig und versuchen die Rituale und Feierlichkeiten den entsprechenden Vorschriften gemäß zu gestalten. Wie bei allen Religionsgemeinschaften heutzutage werden die Riten je nach handelnden Personen mehr oder weniger streng gehalten. Gerade auch bei jüdischen Familien ist gibt es große Unterschiede – je nachdem wie streng gläubig sie sind, gibt es die orthodoxen und die, die weniger streng leben.

Gleich wie beim muslimischen Ritus sollte ein jüdischer Verstorbener nach Möglichkeit binnen 24 Stunden erdbestattet werden, eine Feuerbestattung ist für Juden grundsätzlich nicht vorgesehen. Auch in diesem Fall ist das in der Praxis oft nicht so leicht umsetzbar, denn Bürokratie und vorschriftsmäßige Untersuchungen des Leichnams vor der Freigabe zur Bestattung sowie die Tatsache, dass es an Sonn- und Feiertagen keine Beisetzungen auf unseren Friedhöfen gibt, machen eine Beisetzung innerhalb dieser kurzen Frist oft einfach nicht möglich. Sehr wichtig ist, dass der Leichnam unversehrt und wirklich „zur Gänze“ beigesetzt wird. Nach einem besonders schweren Unfall etwa, ist es wichtig, dass jeder kleinste Partikel des Körpers gefunden und dem Leichnam beigelegt wird. Aus diesem Grund ist für Juden eine Obduktion auch schwierig hinzunehmen, nach Möglichkeit sollte gar keine stattfinden, denn schon der Verlust von Blut ist problematisch. Die Entscheidung, ob es eine Obduktion gibt oder nicht, können Angehörige oder religiöse Oberhäupter aber grundsätzlich nicht treffen, das obliegt den Behörden (Gesundheitsamt, Staatsanwaltschaft) bzw. der Klinikleitung.

Ist der Tod vorhersehbar, soll sich der Sterbende auf seinen Tod vorbereiten. Dabei wird im Kreis der Familie gebetet, die Nachkommen werden gesegnet und die Beichte - das "Vidui“ findet statt. Nach Eintritt des Todes werden Kerzen entzündet und ähnlich wie in unseren christlichen alten Totengebräuchen wird ein Fenster geöffnet, dass die Seele ihren Weg finden kann.

Sterbende und Verstorbene sollten gemäß jüdischer Tradition nicht alleine gelassen werden. Es findet eine Wache statt ...

... bei der Texte aus der Thora studiert, das Kaddisch gebetet und Psalmen gelesen werden.

Die Chevra Kaddischa ist eine Begräbnisbruderschaft von jüdischen Männern, die sich ehrenamtlich den Begräbnisriten widmen. Sie sind für die Gebete und auch für die rituelle Waschung zuständig: Zunächst wird der Leichnam hygienisch gereinigt, dann erfolgt die spirituelle Reinigung des Verstorbenen durch ein Bad in einer „Mikvah“ (das ist ein eigenes Bad zur rituellen Reinigung etwa nach der Menstruation, nach einer Geburt oder eben auch nach dem Tod eines Menschen) oder – so wird es hierzulande praktiziert - einfach durch das Übergießen mit Wasser bei uns im Bestattungsinstitut. Anschließend wird der Verstorbene eingekleidet und unter seinen Kopf wird ein Säckchen mit Erde aus Israel gelegt. Wie in der muslimischen Tradition sollten auch Juden in einem Leinentuch anstelle eines Sarges beerdigt werden. Da in Österreich ein Sarg Vorschrift ist, wird auch bei einer jüdischen Bestattung ein einfacher Sarg ohne Metall verwendet. Am Kopfende des Sarges hängt bewusst ein Stück des Gebetsschals heraus, einerseits um zu zeigen, wo der Kopf liegt, andererseits auch, um zu beweisen, dass der Gebetsschal vorschriftsmäßig beim Verstorbenen liegt.

Während der Trauerfeier werden verschiedene Gebete gesprochen und Psalmen aus der Thora gelesen, der Sarg wird dabei geschlossen aufgebahrt, denn eine Aufbahrung am offenen Sarg gilt als respektlos und ist deshalb nicht gewünscht. Der Verstorbene wird anschließend an die Feierlichkeit im Trauerzug zum Grab begleitet, wo die Angehörigen eine Schaufel mit Erde zur Verabschiedung ins Grab werfen. Das Nachgeben von Erde kennen wir aus dem christlichen Ritus, im Judentum ist es eine religiöse Pflicht und es ist schön, wenn alle Trauergäste und dann die zuständigen Männer der Chevra Kaddischa das Grab händisch zuschaufeln. Nach der Beisetzung bilden die Traugäste ein Spalier, durch das die Familie hindurch schreitet. Dieser Durchgang symbolisiert den Zusammenhalt der Gemeinschaft und das Auffangnetz für die trauernde Familie.

Generell sind bei jüdischen Totengebräuchen Musik und Blumen nicht üblich. Sie gelten als Zeichen für das Lebendige und sollen laut jüdischer Tradition den Lebenden vorbehalten sein. Dementsprechend sind die jüdischen Friedhöfe einfach und ohne Grabbepflanzung und sonstigen Schmuck gehalten. Der Grabstein genügt. Dieser wird ein Jahr nach dem Tod eines Menschen errichtet und beim Grabbesuch hinterlassen die Angehörigen kleine Steine (sie symbolisieren die Ewigkeit) auf dem Grabstein. Das Grab, in dem ein jüdischer Verstorbener beerdigt wird, darf nie mehrfach belegt oder aufgelassen und neu vergeben werden, denn der Verstorbene wartet dort bis zum Jüngsten Tag.

Während in unserer westlichen Tradition nach einem Todesfall vom Arbeitgeber lediglich zwei bis drei freie Tage gewährleistet werden müssen und wir dadurch sehr rasch wieder in unseren Alltag zurückkehren, ist für orthodoxe Juden eine strenge Ruhezeit vorgesehen: Im Anschluss ans Begräbnis beginnt die Zeit „Shiwa“, in der Hinterbliebene sieben Tage von allen Verpflichtungen befreit sind, um sich auf ihre Trauer konzentrieren zu können. Es ist nicht gestattet, die Wohnung zu verlassen, zu duschen, sich zu rasieren, zu kochen und zu putzen. Auch Geschlechtsverkehr oder die Lektüre in der Thora sind untersagt.

Die Aufgaben im Haushalt übernimmt in dieser Zeit die „Shiwa-Gemeinschaft“, außerdem gilt es als religiöse Pflicht, dass Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft die Trauerfamilie in dieser Zeit besuchen, um Trost zu spenden. Nach der Shiwa-Zeit verlässt die Familie gemeinsam die Wohnung zu einem Spaziergang, der die Rückkehr der Hinterbliebenen aus der Shiwa symbolisiert.

Foto und Text: Christine Pernlochner-Kügler

Die I. Neumair Bestattung und mehr GmbH ist Ihr Tiroler Ansprechpartner für traditionelle Bestattungen und moderne Verstorbenenversorgung (Thanatopraxie), Trauerfeier- lichkeiten, Trauerbegleitung und Seminare mit Sitz in Innsbruck.

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