Bestatter ABC - I wie Intrusion

Ein junger Mann wurde von Krampussen überfallen und verprügelt. Noch Jahre später vermeidet er es, auf Almen zu wandern, denn sobald eine Kuhglocke ertönt, erlebt er den Krampus-Überfall von damals wieder als würde es noch einmal geschehen.

Von einer Intrusion spricht man, wenn Betroffene nach einem traumatischen Ereignis von Erinnerungen daran eingeholt werden. Intrusionen oder Flashbacks werden von Trigger-Reizen (Gerüche, Geräusche etc.), die an das Trauma erinnern, ausgelöst und führen zu einem unkontrollierten Wiedererleben des Traumas. Intrusionen unterscheiden sich von normalen Erinnerungen, indem Betroffene davon überrollt werden, das Wiedererleben kaum oder gar nicht kontrollieren, steuern oder stoppen können und das Trauma noch einmal erleben als würde es sich im Hier und Jetzt wiederholen. 

Wie ist das möglich?

In einer traumatischen Situation werden bedrohliche Sinneswahrnehmungen (z.B. Geräusche oder Gerüche) als Stressauslöser wahrgenommen. Bedrohliche Reize oder Informationen aktivieren die Amygdala - das Angstzentrum im Gehirn - und Stresshormone hemmen gleichzeitig den Hippocampus und den präfrontalen cingulären Cortex. Der Hippocampus ist für unsere Erinnerungen, der präfrontale Cortex für intellektuelle Verarbeitung zuständig. Durch die Blockade der beiden Bereiche werden die bedrohlichen Sinneseindrücke nur auf der primitiven, unbewussten Ebene des Angstzentrums gespeichert und zwar in Form von Affekten, körperlichen Empfindungen oder in Form von Bildern, Gerüchen und Geräuschen. Durch die Hemmung des Hippocampus werden die Sinneseindrücke nicht mehr kategorial „zeit-räumlich“ erfasst und geordnet, sondern als chaotische und zusammenhangslose Sinnesfragmente und im Gedächtnis „eingefroren“. Werden sie zu einem späteren Zeitpunkt durch ähnliche Reize (Trigger) neu stimuliert, kehren sie als Intrusionen wieder. Intrusionen werden dann als „aktuell bedrohlich“ erlebt und können nicht gesteuert werden. Eine unkontrollierbare Überflutung von Erinnerungen, die leicht chronifizierbar ist, ist die Folge. Betroffene befinden sich dann nämlich in permanenter (unbewusster) Alarmbereitschaft, erleben sich als dünnhäutig und sind physiologisch übererregt Sie konzentrieren sich dadurch auf potenziell bedrohliche Reize und blenden positive Eindrücke aus. Das Stress-Niveau bleibt dadurch hoch und damit auch die Gefahr, in einer Schleife von Intrusionen und Retraumatisierungen hängen zu bleiben.

Da auch die logischen und sprachlichen Strukturen im Neocortex blockiert werden, ist die Speicherung derartiger Inhalte ebenfalls erschwert und auch die intellektuelle Verarbeitung ist nur sehr eingeschränkt möglich. Einerseits können verbal mitgeteilte Informationen nach traumatischen Ereignissen nicht gut gespeichert werden, andererseits ist der Betroffene für rationale Verarbeitung nicht zugänglich.

Intrusionen sind äußerst unangenehm, sie sind selbst aber keine Krankheiten, sondern zunächst einmal einfach Zeichen, dass ein Erlebnis verarbeitet wird. Sie können im Rahmen einer akuten Belastungsreaktion auftreten. Akute Belastungsreaktionen sind ebenfalls nicht krankheitswertig, es sind normale Reaktionen und auf nicht-normale Ereignisse und auch sie zeigen zunächst nur, dass Verarbeitung stattfindet. Treten Intrusionen wiederholt, zeitverzögert, Wochen oder Monate nach dem traumatischen Ereignis auf, sind sie Symptom einer Posttraumatischen Belastungsstörung oder einer anderen Traumafolgeerkrankung. Dann ist professionelle Hilfe angesagt.


Was hilft?

Wichtig ist es zunächst, vom allgemeinen Stressniveau runterzukommen, um die Aktivierung des Angstzentrums und die Blockaden von Hippocampus und Neocortex aufzuheben bzw. zu lockern. Atem- und Entspannungstechniken (zum Beispiel die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson) sind Übungen, die man heute - angeleitet durch Apps oder Videos im Internet - niederschwellig selbst leicht machen kann. Überlegen, was einen sonst entspannt: Saunabesuche, ein Bad, Spaziergänge im Wald etc. und das Umformulieren von katastrophierenden Gedanken wie „Das ist eine Katastrophe, das schaffe ich nie“ zu „Das ist eine Katastrophe, aber das werde ich irgendwie schaffen“, helfen das Stressniveau zu senken.

Das Erzählen des Erlebten und zwar chronologisch nach „Beginn – Höhepunkt – Ende/Rettungsereignis“ kann im Nachhinein strukturieren und einerseits dabei helfen zu verarbeiten, andererseits das Geschehen in Vergangenes einzuordnen. GesprächspartnerInnen, die dabei helfen, das Erzählte zu strukturieren und zeitlich einzuordnen, sind dabei sehr hilfreich.

Wiederholen sich Intrusionen, treten sie zusammen mit Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Ängsten, depressiver Verstimmung und anderen Verhaltensauffälligkeiten auf, ist es wichtig, einen Facharzt / eine Fachärztin für Psychiatrie aufzusuchen, der/die eine genaue Diagnose stellen und Therapien in die Wege leiten kann. Zwar helfen Medikamente zur Regulierung der verschiedenen Symptome, ursächlich müssen Traumafolgestörungen aber immer auch psychotherapeutisch bearbeitet werden, um sie erfolgreich zu heilen.

Dr. Christine Pernlochner-Kügler

Foto: www.unsplash.com / Francisco Gonzales

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