Wozu brauchen Tote Kleidung?

Immer wieder, wenn ich Angehörige bitte, mir für ihre Verstorbenen Kleidung zu bringen, werde ich erstaunt gefragt: „Ja, aber wozu denn? Wozu braucht man denn noch Kleidung, wenn man tot ist?“ Im Falle einer Erdbestattung kommt diese Frage allerdings viel seltener vor als im Falle einer Feuerbestattung. Dabei wäre es für die Vergänglichkeit des Körpers im Erdgrab sogar besser, wenn wir den Leichnam ohne Kleidung, also nackt, beerdigen würden. Aber die Vorstellung des nackten Leichnams im  Erdgrab ist für die meisten Angehörigen nicht erträglich, es sei denn, der Verstorbene war begeisterter Naturist, aber das ist eine andere Geschichte. (Hatten wir aber auch schon! Nahtlos braun gebrannt und auf eigenen Wunsch eben splitterfasernackt. Warum auch nicht!) „Ein Volk wird daran gemessen, wie es seine Toten bestattet“, postulierte Perikles 430 Jahre v. Chr. in seiner Trostrede. Zahlreiche Prominente haben diesen Gedanken aufgegriffen und verschiedentlich umformuliert. Helmut Kohl meinte etwa: Die Menschlichkeit einer Gesellschaft zeigt sich nicht zuletzt daran, wie sie mit den schwächsten Mitgliedern umgeht. Die schwächsten Mitglieder einer Gesellschaft, das sind die Behinderten, die Alten und Kranken, die Kinder, aber natürlich auch die Toten. Streng genommen sind die Toten keine Mitglieder der Gesellschaft mehr, denn sie haben ihren Personenstatus verloren und haben deshalb auch keine Pflichten mehr. Rein rechtlich sind sie so ein Zwischending zwischen Person und Sache.

Sie sind ein „Rückstand einer Person“ und somit eine Sache, die keine Pflichten mehr hat, aber immer noch einige wenige Rechte: Das Recht nämlich, dass die Totenruhe nicht gestört werden darf und eben auch das Recht auf Respekt. Jeder kennt doch die Empfehlung sich bei Prüfungsangst den Prüfer nackt vorzustellen, denn Nacktheit hebt einen Menschen vom Sockel, Nacktheit führt zum Statusverlust, ist ein Zustand der Schutzlosigkeit und der Schwäche. Darum brauchen Verstorbene Kleidung – nicht weil ihnen zu kalt wäre, sondern einfach aus Respekt und weil wir dadurch „die Sache“ wieder zur Person machen und zum Ausdruck bringen: Aus hygienischen Gründen müssen wir dich weggegeben, wir müssen dich verabschieden, aber du bist kein Müll für uns und deshalb möchten wir dich in einer Weise weggeben, die sich maßgeblich von einer Entsorgung unterscheidet. Kleidung wird häufig in Frage gestellt, wenn eine Feuerbestattung geplant ist, so als wären Würde und Respekt auf den letzten paar Metern eines Menschen bis zum Krematorium kein Thema mehr. Aber natürlich sind Würde und Respekt auch dann Thema. Deshalb bringt uns bitte immer Kleidung für eure Verstorbenen und zwar Kleidung, in denen sie sich zu Lebzeiten am wohlsten gefühlt haben. Das muss kein Anzug oder Kostüm sein. Das können die Lieblingsjeans sein oder auch der Jogginganzug. Bei einer Erdbestattung wären für die Vergänglichkeit Naturfasern gut, bei einer Feuerbestattung ist das Material nicht so wichtig. Sauber sollten die Sachen halt sein - zwecks dem Respekt warats!

Foto: Annie Spratt www.unsplash.com

Die I. Neumair Bestattung und mehr GmbH ist Ihr Tiroler Ansprechpartner für traditionelle Bestattungen und moderne Verstorbenenversorgung (Thanatopraxie), Trauerfeier- lichkeiten, Trauerbegleitung und Seminare mit Sitz in Innsbruck.

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