Der richtige Umgang mit unseren Gefühlen ist gar nicht so einfach. Im Prinzip dürfen wir sie haben, aber oftmals nicht zeigen. Zeigen wir Gefühle nämlich ehrlich, wirkt das schnell schwach oder sogar unprofessionell, wir erleiden einen „Kontrollverlust“. Wir haben auch gesellschaftliche Normen und Konventionen internalisiert, die uns sagen, was wir in bestimmten Situationen fühlen sollen oder eben nicht, weil Emotionen kontextabhängig als passend oder unpassend, erlaubt oder verboten empfunden werden. Als unpassend gelten nach wie vor Freude bei einer Trauerfeier, Wut auf einen Verstorbenen oder Spaß in der Trauer. In unserer Trauerkultur hat sich im letzten Jahrzehnt zum Glück vieles verbessert und gelockert, einiges hat sich gehalten: Statt sich zu freuen, wenn Trauernde offen und herzlich lachen, weil sie mal einen guten Augenblick oder Tag haben, wird ihnen unterstellt, dass sie nicht richtig oder wirklich trauern. Weinen und klagen sie hingegen, wird das vom Umfeld als unangenehm empfunden. Viele Menschen beginnen sich zurückzuziehen und gehen Trauernden daher aus dem Weg. Also am besten nicht lachen und nicht weinen, liebe Trauernde! Ihr meint, okay, dann setzt ihr eben ein Pokerface auf, sobald ihr auf die Straße geht, weil dann seid ihr sicher? Irrtum! Ein Pokerface wirkt sogar besonders verdächtig! Und bitte aber auch nicht kränkeln, das ist ja dann auch lästig für eure Mitmenschen! Vorsicht aber, denn Kränkeln oder Krankwerden ist leider die Konsequenz, wenn wir unsere Gefühle nicht authentisch zeigen dürfen.... Was für ein Schlamassel!
Ähnlich die Stereotype der Trauerbranche. Der Bestatter: Ein pietätvoller Mensch, dezent wartend hinter seinen grauen Lamellen-Vorhängen, der zum Lachen in den Keller geht, dann aber eine hohe Rechnung stellt, in der er jede Sargschraube einzeln verrechnet. Die Trauerbegleiterin: eine ernsthafte Frau, ein bisschen alternativ vielleicht, die stets für ein tiefes Gespräch bereit ist und die Technik des aktiven Zuhörens zu ihrem zweiten Ich gemacht hat.
Das alles klingt doch furchtbar! Und zum Glück ist es in Wirklichkeit gar nicht so. Wer keinen Humor hat, dem fehlt eine wichtige Bewältigungsstrategie, der tut sich schwerer gesund zu bleiben. Das gilt für Trauernde und für uns Leute in der Trauerbranche. Bei uns wird, wie an jedem Arbeitsplatz, gelacht und gefeiert, wenn es was zu feiern oder zu lachen gibt. Wir arbeiten sachlich und verhalten uns ganz normal. Betroffen und traurig sind wir dann, wenn wir es wirklich sind. Das kommt vor, aber nicht jeden Tag.
Und „die Trauernden“? Sie sind so unterschiedlich wie die „Nicht-Trauernden“. Trauer ist kein durchgängiger Zustand von Traurigkeit, sondern ein sehr bunter Mix von Gefühlen, Zuständen, Ausdrucksweisen und Strategien, damit umzugehen. Ich kenne Freude und Lachen neben der Trauer, ich kenne Witwen, die ihre verstorbenen Männer unter Tränen wütend beschimpfen, eine gab ihrem toten Ehemann sogar einmal eine Ohrfeige (und wollte sich dann bei mir dafür entschuldigen :-).Menschen, die Humor haben, verlieren ihn nicht automatisch, nur weil sie trauern, sie sind sogar dankbar, wenn sie ermuntert werden, diesen Humor auch zwischendurch durchblitzen zu lassen. Fast bei jedem Abschied gibt es etwas zu lachen, weil eine Anekdote aufpoppt oder weil sich spontan eine skurrile Situation ergibt. Und eine Bekannte, die gerade ihren Sohn verloren hatte, hat unser ganzes Team mit Kugelschreibern ausgestattet, auf denen steht: "Humor beginnt, wo das Lachen vergeht." Diese Kugelschreiber hatten sie und ihr kranker Sohn anfertigen lassen, als klar war, dass es dem Ende zugeht.
Ich kenne Kinder, die rund um einen offenen Sarg beginnen Fangen zu spielen. Ich kenne welche, die ein Witzebuch zum Abschied mitbringen, weil sie ganz instinktiv wissen: Ich brauch zwischendurch eine Pause und etwas zum Lachen, sonst halt ich das nicht durch, weil es sonst zu schwer wird. Trauer ist ein Wechselbad und verläuft - wenn sie gesund verläuft - in Wellen oder „Wehen“: Es gibt Schmerz- und Erholungsphasen, gute und schlechte Momente oder Tage, beide Zustände haben ihren Sinn. In den schmerzhaften Phasen findet Verarbeitung statt, sie treiben den Bewältigungsprozess voran, in den Erholungsphasen dazwischen können wir Luft schnappen und unsere Kräfte sammeln für die nächste Wehe, wie bei einer Geburt.
Am gesündesten ist es, das zuzulassen, was man gerade fühlt. Und wenn ein schlechter Zustand zu lange anhält, dann darf man sich ruhig überlegen, was man sich Gutes tun könnte, dass man aus der Trauerpfütze zwischendurch wieder mal rauskommt. Und ganz wichtig: Sich nicht darum kümmern, was die Leute sagen, denn die reden so oder so, ganz egal wie man sich verhält!