Hallstatt ohne Chinesen

Eine Familienangelegenheit war der Grund, warum ich an jenem Wochenende Mitte Juni, an dem die Hotels nach der ersten Welle der Coronakrise wieder öffneten, ein verlängertes Wochenende am Wolfgangsee verbrachte und nach der ORF-Doku "Am Schauplatz - Hallstatt ohne Chinesen" war klar: Diese Chance muss genützt werden - jetzt oder nie! Zu faul, mit dem Rad von St. Wolfgang nach Hallstatt zu treten, fuhren mein Mann und ich also am späteren Vormittag mit dem Auto dorthin. Ein Fehler, wie sich herausstellte, denn auch ohne Chinesen war es fast unmöglich, einen Parkplatz zu finden, denn "die Österreicher" waren längst da und so stauten wir uns (ja, ich weiß: Der Stau bin ich!) in den Ort, durch Hallstatt hindurch zu einem weit entfernten Parkplatz, der natürlich auch schon voll besetzt war, wieder zurück ins Zentrum und ergatterten dort mit ziemlich viel Glück und noch mehr Frechheit einen Parkplatz. Wir schlenderten durch den malerischen Ort, das klare Ziel waren natürlich der Friedhof und das berühmte Beinhaus mit den bemalten Schädeln. Dort angekommen, erwartete uns schon eine beträchtlich lange Warteschlange. Die Sonne stach ungnädig, aber da musste ich jetzt einfach durch, wer weiß, ob dieser Ort jemals wieder für mich erreichbar sein wird, irgendwann werden ihn die Chinesen wieder zurückerobern....

Irgendwann waren wir dann endlich an der Reihe. Kurz vor dem Eingang beeindruckte mich ein großes Rollup, worauf ein Hallstätter zu sehen ist, wie er gerade den Schädel seines Vaters bemalt. Unglaublich berührend, das ist Trauerarbeit pur! Die Michaelskapelle aus dem 12. Jahrhundert auf dem Friedhof mit Seeblick neben der katholischen Kirche dient den Hallstättern seit 1720 als "Karner" (lat. carnis = Fleisch). Da der Friedhof damals zu klein wurde und bis heute nicht erweitert werden kann, wurden die großen Knochenteile der Verstorbenen - also der Schädel und die Röhrenknochen - nach 10 bis 15 Jahren exhumiert, von Geweberesten gereinigt, einige Wochen im Sonnen- und Mondlicht gebleicht und von Künstlern bemalt. Die Künstler waren meist die Totengräber selbst. Im Hallstätter Karner lagern etwa 1200 Schädel, 610 davon sind bemalt, mit dem Sterbedatum versehen und nach Familien geordnet. Symbole auf den Schädeln sind Eichenlaub (für den "Ruhm"), Lorbeer (für den "Sieg"), Efeu (für das "Leben"), Rosen (für die "Liebe"), aber auch die Schlange (für den "Tod" und die "Sünde") ist zu finden. Die Schädel auf den Büchern unterhalb des Kreuzes stammen übrigens von Hallstätter Priestern.

Der jüngste Schädel stammt aus dem Jahr 1995, besitzt einen Goldzahn und stammt von einer Frau, die 1983 verstorben ist. Auch wenn es jedem Hallstätter heute noch zusteht, seine Gebeine nach 10 bis 15 Jahren exhumieren zu lassen und im Beinhaus seine letzte Ruhestätte zu finden - mit schön bemaltem Schädel! - nimmt dieses Recht so gut wie keiner mehr in Anspruch. Schade eigentlich, aber auch hier hat die Feuerbestattung stark zugenommen und damit reicht der Platz für die wenigen Hallstätter, welche noch erdbestattet werden, gut aus und macht eine Exhumierung und Verlagerung der Gebeine ins Beinhaus nicht mehr nötig. 

Selig, diesen Ort endlich gesehen zu haben, scheuchte ich meinen Mann von Souvenirladen zu Souvenirladen durch ganz Hallstatt im festen Glauben, dass es wohl irgendwo im Hallstatt-Look bemalte Totenköpfe mit Vornamen für Touristen (von mir aus auch auf Chinesisch!) zu kaufen gibt. Selstverständlich hätte ich die gesamte Familie und das gesamte Bestattungsteam mit Totenschädeln beglückt. Aber nix da! Niente! Jeder Souvenirladen verkauft exakt den gleichen Plunder: kitschig bemalte Behältnisse mit Salz, Salzsteine, Kräutersalz, Hallstatt-Schneekugeln, Tassen, Dirndeln etc. - sicher das meiste "made in China" - jedoch keinen einzigen Totenkopf, nicht einmal einen aus Marzipan oder Zuckerguss! Eine Marktlücke, liebe Ureinwohner! Nicht nur mit der öffentlichen Toilette (laut Bürgermeister die Haupteinnahmequelle des Ortes) lässt sich Geld machen! Traurig zog ich von dannen und frage mich: Wozu war ich eigentlich hier? Mir fehlt das Souvenir!

Die I. Neumair Bestattung und mehr GmbH ist Ihr Tiroler Ansprechpartner für traditionelle Bestattungen und moderne Verstorbenenversorgung (Thanatopraxie), Trauerfeier- lichkeiten, Trauerbegleitung und Seminare mit Sitz in Innsbruck.

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.